Kurz und lang denken und nicht nachlassen bei der Qualität

Zum Fachtag „Kinder- und Jugendhilfe in Not?“ des Landesfachausschusses Kinder, Jugend, Familie des AWO-Landesverbands Bayern suchten Experten gemeinsam nach Lösungen für aktuellen Herausforderungen der Branche. ">

Verantwortliche aus der Kinder- und Jugendarbeit der AWO in Bayern haben sich letzte Woche mit Vertreter*innen der bayerischen Landespolitik und der Wissenschaft getroffen, um über die Herausforderungen zu sprechen, die die Branche aktuell beschäftigen. Zum Fachtag mit dem Titel „Kinder- und Jugendhilfe in Not?“ hatte der Landesfachausschuss Kinder, Jugend, Familie des AWO-Landesverbands Bayern eingeladen. Die Experten suchten gemeinsam nach konkreten, kurz- und langfristigen Lösungen. Diesen sind im Positionspapier zu finden. Aus unserem Verband reisten die Bereichsleitung Kinder, Jugend und Familie Conny Staab an sowie mehrere Referentinnen und Kita-Leitungen - insgesamt eine achtköpfige Delegation.

 

Was sind die aktuellen Herausforderungen der Kinder- und Jugendhilfe und somit die Themen des Fachtags?

„Viele Träger stehen vor erheblichen Herausforderungen“, erklärt Conny Staab, „ so auch wir. Der Fachkräftemangel liegt da vielleicht auf der Hand und macht auch uns zu schaffen. Dazu kommt aber eine unzureichende Finanzierung“.  Sie betont, dass bewilligte Fördersummen (schon lange) nicht mehr ausreichen, weil Sach-, Betriebs- und Personalkosten steigen. Mittel würden nicht entsprechend angepasst, was eine negative Spirale hinter sich ziehe: Fehlende Mittel führten unweigerlich zu verminderter Qualität und schließlich irgendwann zur Schließung von Einrichtungen und Diensten und Beendigung von Maßnahmen. Die Folge: eine Unterversorgung von Kindern und Jugendlichen. In diesem Kontext beklagt Staab die fehlende Verlässlichkeit für Träger. „Ja, in manchen Bereichen wurden die Hilfen aufgestockt und wir freuen uns darüber, aber es ist nicht klar wie lange und die Entscheidungen kommen so spät, dass wir ganz schwer planen können“.

Dass die Qualität auf keinen Fall nachlassen dürfe, bestätigte auch Prof. Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff (Professor für Entwicklungspsychologie und Klinische Psychologie an der Evangelischen Hochschule Freiburg) in seinem Vortrag auf dem Fachtag: Er referierte über die Wichtigkeit pädagogischen Handelns und meinte, dass die Voraussetzung dafür „gut ausgebildetes, reflektiertes Personal sei, das passende Rahmenbedingungen vorfindet und nicht im Dauerbelastungszustand arbeitet“.  Staab konkretisiert das: „Gruppen dürfen nicht vergrößert werden, wir benötigen dringend eine Fachkraftquote und dürfen nicht an der Qualität der Betreuung drehen. Was jetzt in dem Bereich investiert ist, spart später Geld in der Jugendhilfe – das ist eindeutig nachweisbar.“

Dass Qualität mit Finanzierung einhergeht, stellten auch die Teilnehmer*innen an der Podiumsdiskussion fest: Doris Rauscher, SPD-MdL und Vorsitzende des Sozialausschusses im Bayerischen Landtag, beklagte, dass der Freistaat zu wenig Geld in die Qualitätsentwicklung stecke und sagte überspitzt: „Wer wie Bayern drei Milliarden Euro in die Raumfahrt investieren kann, kann auch drei Milliarden Euro für die Kinder auf Erden aufbringen.“

Eine andere Herausforderung kommt durch die zunehmend heterogene Gesellschaft, die mit Inflation oder Folgen von Corona zu kämpfen hat: Kinder und Jugendliche sowie ihre Familien brauchen mehr niedrigschwellige Unterstützung bei der Bewältigung des Alltags. Diese sind zum Beispiel: Familienstützpunkte, Sprach-Fachkräfte, Elternbegleitungen oder die Einführung von Sozialarbeitern in Kitas neben dem flächendeckenden Ausbau von Jugendsozialarbeit an Schulen. So können die Heranwachsenden aufgefangen werden, das vorhanden Personal in Betreuungseinrichtungen können sich auf ihren Auftrag konzentrieten und die vorhandenen Hilfesysteme werden nicht überlastet.

Was würde konkret in dieser Situation helfen?

„Wir waren uns einig, dass die Situation immer eklatanter wird, aber dass es keine sofortige Zauberlösung gibt“, berichtet Staab. „Es braucht viele kleine und große Stellschrauben und bei aller Dringlichkeit müssen wir langfristig denken.“  Mit scharfem Blick auf die Qualität der frühkindlichen Bildung für die Entwicklung der Kinder, hat die Expertenrunde diese Vorschläge erarbeitet:

  • Eine auskömmliche Finanzierung von staatlich anerkannten Fachakademien ist zwingend notwendig, damit die aktuelle Qualität und dafür auch die dringend benötigten Fachkräfte entwickelt werden können.
  • Um stabile Teams zu bilden und Abwanderung zu verhindern: Finanzierung von Maßnahmen zur Teamstärkung (Unterstützendes Personal, Fortbildungen, Betriebliche Gesundheitsvorsorge, Teamtage).
  • Bayernweite Finanzierung von Familien-Stützpunkten, zur Vernetzung, zur Begleitung der Familien, zur Entlastung der Kitas.
  • Stationäre Kinder- und Jugendhilfe: Budgets und Finanzierung von einschlägigen Fortbildungen für das Personal, Zusatzvergütung für bessere Qualifizierung, Fortschreibung „Fachliche Empfehlungen“ des Bayerischen Landesjugendamts, Personalstellen erhöhen.

Der bayerische AWO-Landesfachausschus Kinder- und Jugendhilfe besteht aus Vertreterinnen der Bezirks- und Kreisverbände. Sie arbeiten fachlich seit Jahren zusammen, treffen sich mehrmals im Jahr und stimmen sich fachlich aber vor allem auch politisch ab (z.B. erarbeiten gemeinsam mit der Referentin Kinder, Jugend und Familie des Landesverbandes Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen usw.)

Download

Seite weiterempfehlen: